Wetter-Erinnerungen

Mag. Heidrun Gollesch
Graz

Mir bleiben extreme Wetterlagen nur dann in Erinnerung, wenn ein persönliches Ereignis damit verbunden ist. So sind mir drei außerordentliche Ereignisse im Zusammenhang mit Wetter besonders gut im Gedächtnis haften geblieben:

1. Im Winter 1962/63 war ich das erste Mal auf mich allein gestellt. Ich arbeitete in einer kleinen Gemeinde nördlich von Graz . Ich wohnte in zwei kleinen Räumen (18 m2) . Die Heizung bestand aus einem kleinen Küchenherd, der immer rauchte, wenn der Wind ordentlich blies – und er blies immer ordentlich. Das Plumpsklo befand sich einen Stock tiefer, ja und das Wasser musste man bei einer Quelle im Zentrum des Ortes holen.

Im oben genannten Jahr nun hatte es bereits Mitte November zugeschneit, und es dauerte bis Mitte März, bis es richtig Frühling wurde.
Am Wochenende fuhr ich immer gerne heim nach Graz. Am Montag in der Früh ging es dann wieder zurück aufs Land.
An einem Montag also in diesem Winter stand ich nach der Zugfahrt also in Frohnleiten
Und wartete auf den Bus, der mich in den 3,5 km entfernten Dienstort bringen sollte.
Es war ein herrlicher, strahlend sonniger Wintertag – aber bei minus 25 Grad doch sehr
kalt. Ich stand also da, kein Mensch auf der Straße, kein Autobus in Sicht, aber eisiger Wind. Endlich „verirrte“ sich doch ein alter Mann zur Haltstelle. Er sagte auch gleich, was er sich dachte: „Wir heit ebba nix kemm, der Paunsold. Hat gwaht am Rechberg!“
Wie recht der Mann doch hatte! Der Autobus des Unternehmers Ponsold kam tatsächlich nicht und ich musste sehr eiligen Schrittes die Strecke ins Dorf zurücklegen, wollte ich zu Dienstbeginn rechtzeitig dort sein. Der eisige Wind pfiff vom Rechberg herunter und ich war sehr froh, endlich in meiner kleinen Wohnung gelandet zu sein.
Dort setzte ich mich erst einmal nieder und genoss die Wärme. Ach ja, Wärme! Es hatte in den Räumlichkeiten gerade einmal fünf Grad minus, aber es herrschte Windstille!

Meine Mutter wollte um Weihnachten herum einige Tage in meinen Kämmerchen ver-
bringen. Ich wollte ihr das Wasserholen bei der Quelle ersparen und hatte die mit Wasser gefüllte Wärmeflasche ins Bett gelegt. Mutter hatte k e i n e Freude, denn das Wasser war unter der Daunentuchent eingefroren.

2. Am 26. November 1969 lag ich in einem Grazer Sanatorium, denn die Geburt meines ersten Kindes hatte sich angekündigt. Ein Trost in diesen schmerzhaften Stunden war dann immer ein Blick aus dem Fenster. Dort stand eine mächtige Platane mit vielen Früchten . Es schneite ganz sanft, und die Platanenfrüchte bekamen immer dickere Schneehäubchen.
In den nächsten Tagen wurde der Schneefall immer heftiger, und zwar derart, dass am 5. Dezember 1969 in ganz Graz wegen der hohen Schneelage kein Taxifahrer bereit war, mich und mein neugeborenes Mädchen von der Körblergasse in die nahegelegene Jahngasse zu bringen. (Ein zufällig anwesender Jungvater hörte von meinem Problem und erklärte sich sofort bereit, diese Fahrt durchzuführen. Überglücklich nahm ich das Angebot an. Leider hatte ich in meinem Glück vergessen, den Wohltäter nach seinem Namen zu fragen. Nochmals „danke“!)

3. Es war am Tag der legendären Paula. Ich sah auf meiner Fahrt zum Jagdkurs nach Wildon schon viele Verwüstungen. Der Kurstag verlief dann für uns Teilnehmer ohne Zwischenfälle. Am späteren Nachmittag begaben wir uns dann in ein nahegelegenes Gasthaus, das einen Schießstand für Handfeuerwaffen hatte. Die Aufregung bei mir war groß, hatte ich doch nie zuvor mit Pistolen geschossen. Die Schüsse gelangen mir recht gut, aber die Luft wurde etwas dünn. Der Raum war schlecht gelüftet und der Schmauch konnte nicht richtig abziehen. Wir begaben uns daher rasch wieder in die Gaststube. Dort wies der Wirt stolz auf seinen neuen Kachelofen, den er auch ordentlich eingeheizt hatte. Dieser Raum war also total überhitzt.
Nun fiel zwei Kursteilnehmern ein, dass sie bei einem nahegelegenen Bauernhof eine Sau zum Selchen hatten. Ja, und das Fleisch müsste nun fertig zum Verkosten sein. Schnell holten sie Proben – und nicht zu wenig – von frischem Selchspeck. Natürlich gehörte danach ein !?! Schnapserl zur Verdauung getrunken.
Als ich dann kurz vor Mitternacht in Graz ankam, meinte mein Mann nur: „Schau in Garten hinters Haus!“ Was ich dort sah, war schrecklich! Paula hatte eine uralte Fichte, die für mich schon immer in dem am Schlossbergabhang gelegenen Garten stand, zu Fall gebracht und der mächtige Baum ist nur knapp an unserem Schlafzimmer vorbeigeschrammt!
Am nächsten Morgen dann um vier Uhr erwachte ich mit Übelkeit, Herzrasen und starken Kopfschmerzen. Herzinfarkt oder Schlaganfall? Nein, im Spital konnte „nur“ ein viel zu hoher Blutdruck festgestellt werden. So konnte ich nach kurzer wirkungsvoller Behandlung die Klinik wieder verlassen. Mein „Paula – Schaden“ war schnell behoben, die anderen Verwüstungen jedoch waren noch lange sicht- und spürbar.

Verifizierter Kommentar der ZAMG

Vielen Dank für Ihren ausführlichen und äußerst spannenden Beitrag über Ihre persönlichen Erlebnisse in Verbindung mit Wetterereignissen aus dieser Zeit. Der Winter 1962/63 war auf der auf der gesamten Nordhalbkugel ein extrem kalter. Damals kamen die Temperaturen in Graz zwischen Dezember und Februar kaum in die Plusgrade und die Minima sanken bis knapp Minus 20°C (siehe Diagramm). Zwischen  1.12. und 31.03. wurden 103 „Frosttage“ (Tmin<0°C), 58 „Eistage“ (Tmax<0°C) und 2 „sehr kalte Tage“ (Tmax<-10°C) registriert! In diesem Winter froren alle Flüsse und Seen zu, am Bodensee, der in diesem Winter übrigens zum letzten Mal zufror, landete am 11.Februar sogar ein Flugzeug auf dem Eis.